Ich hebe meine Augen auf zu den
Bergen. Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt von dem Gott, der Himmel und Erde gemacht hat.
Ein Blick zum Himmel und die gezielte Frage:
Woher kommt mir Hilfe? Wer hilft mir? Was hilft mir?
Es gibt eine Menge Situationen, die dieses Ausschauen
nach Hilfe hervorrufen können. Ich denke an kleine alltägliche
Nöte, z.B.: Ich finde meine Schlüssel nicht. Oder: das
Auto springt nicht an.
Dann die anderen schwierigen Lebenslagen: kleinkariertes
Streiten, das sich im Kreise dreht, niemandem nützt, nur immer
neu verletzt, Oder: resigniertes Verzweifeln, weil es einfach nicht
weitergehen will mit meinen Plänen, meinen Hoffnungen, meiner
Genesung.
Woher kommt mir Hilfe? Wer hilft mir? Was hilft mir?
Zur Bewältigung des Lebens gehört diese Frage einfach
dazu. Jeder Mensch braucht mal Hilfe. Und hält Ausschau nach
Hilfe. Und fragt nach Hilfe.
Die Antwort auf die Suche nach Hilfe liegt entweder
auf der Hand oder im Herzen oder im Glauben:
- Die Gelben Seiten, Tips und Termine in der Tageszeitung,
das Internet, Ratgeberbroschüren, Hinweise von Nachbarn oder
Freundinnen - diese Hilfen liegen auf der Hand, und ich benutze
sie. Auf der Hand liegen auch die Hilfen, die mir Profis anbieten:
von der Autowerkstatt bis zur Psychotherapie.
- Ist das Herz beim Helfen gefragt, suche ich eine
Antwort in einer Hilfe, die mir Liebe schenkt. Die ausgestreckten
Hände eines Kindes ersehnen die liebende Umarmung des Vaters
oder der Mutter. Und sucht ein Mensch Antwort darauf, daß
er um sein Leben betrogen wurde, wird er sein Leben wieder lieben
lernen, wenn ihm jemand sein Herz schenkt.
- Daß mir Hilfe von Gott als Antwort kommt,
das hat etwas mit dem Glauben zu tun, daß er Himmel und
Erde und auch mich gemacht hat. Das meint, daß Gott das
alles und auch mich gewollt
hat. Dieses, daß Gott gestalten will (auch mein Leben),
schließt sein Helfen ganz natürlich mit ein.
Gott bietet seine Hilfe an für alle, die
sich mit Himmel und Erde praktisch und konkret auseinandersetzen
möchten. So weit spannt sich sein Hilfsangebot.
Das setzt zugleich den Maßstab:
Der Glaube sucht Gottes Hilfe, weil er Leben im Spannungsfeld zwischen
Himmel und Erde gestalten will.
Im dritten Vers steht das Bekenntnis:
Gott wird deinen Fuß nicht
gleiten lassen, und der dich behütet schläft nicht.
Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht.
Gleich - so gegen 7 Uhr - machen sich viele auf den
Weg: zur Arbeit, zur Schule.
Fast automatisch finden die Füße ihren Weg, denn es sind
vertraute Wege.
- Paß gut auf dich auf! Träum nicht! Halt
die Augen offen! sagt die Mutter ihrem Kind, das zum ersten Mal
allein zur Schule geht. Und still für sich denkt sie: Bleib
behütet!
- Paß gut auf dich auf! Fahr nicht so schnell!
Arbeite nicht so viel, gönn dir ein paar Pausen! Noch eine
schnelle Umarmung, ein flüchtiger Kuß, dann gehen beide
ihrer eigenen Wege in den Tag und wünschen sich: Bleib behütet,
bis wir uns wiedersehen!
- Paß gut auf dich auf! Es ist ein fremdes
Land, und du kennst dort niemanden! Ruf uns immer wieder mal an,
hörst du?! Die Eltern sehen ihrem jugendlichen Kind nach,
bis es in der Schlange der Fluggäste verschwindet. Und während
sie sich die Hand drücken, sprechen ihre Herzen: Bleib behütet,
Kind!
Bei Trennung, beim Abschied voneinander - auch jetzt
gleich, heute morgen:
Vielleicht nur für Bruchteile einer Sekunde durchwallt uns
dieser stille Wunsch: Bleib behütet!
Nur gelegentlich findet dieser Wunsch die laute Sprache.
Aber als Herzenswunsch ist er da. Und er zeugt von einem tiefen
Wissen:
Selbstverschuldet oder unverschuldet kann das gewohnte Leben ins
Schlingern geraten, auf die schiefe Bahn.
Ich trete daneben, komme vom Weg ab, verliere den Halt, stürze
- und alles ist nicht mehr so, wie es heute morgen noch war.
Gott wird deinen Fuß nicht gleiten
lassen, und der dich behütet, schläft und schlummert nicht.
Gott ist hellwach für das Leben und will
nicht, daß du ins Stolpern gerätst.
Aber: die Gewalt? das Böse? das Leid? der Unfall?
Wenn so etwas über ein wehrloses Kind oder eine ahnungslose
Radfahrerin herfällt?
Greuel und Gewalttaten sind durch nichts zu rechtfertigen.
Gott, der Hüter unseres Lebens verachtet sie zutiefst. Er bleibt
dem Leben verschrieben,
auch wenn Menschen Unheil stiften.
Und mit diesem stets wachen Liebhaber des Lebens
verbündet sich dein stiller Wunsch aufs Beste: Bleib behütet!
Gott behüte dich, daß dein Fuß nicht gleite und
du fällst!
In der Mitte des 121. Psalms entführt uns ein
bildhaftes Bekenntnis in die Welt des Orients:
Gott behütet dich; er ist dein Schatten
über deiner rechten Hand, daß dich des Tages die Sonne
nicht steche noch der Mond des Nachts.
Einen Sonnenstich kann man sich zwar auch in unseren
Breiten zuziehen, in Palästina ist ein täglicher Sonnenschutz
jedoch unerläßlich.
Daß auch der Mond stechen kann, wissen nicht nur die Mondsüchtigen.
Bei vollem Mond schlafe auch ich unruhig und wache häufiger
auf nach wüsten Träumen.
Im Orient wirken die Mondstrahlen noch intensiver. Und so verwundert
es nicht, daß der Wirkkraft des Mondes dort Wechselfieber,
Aussatz, Erblindung und andere dämonische Besessenheiten zugeschrieben
wurden.
Sonnenstich und Mondsüchtigkeit stehen in diesem
bildhaften Bekenntnis für die Erfahrung:
Menschliches Leben ist gefährdet und bedroht - tagsüber
und auch nachts! Und das so selbstverständlich wie Sonne und
Mond am Himmel stehen.
Was alles passieren kann, - auch wenn wir noch so auf der Hut sind
- ,ohne daß wir uns dagegen wehren könnten, brauche ich
gar nicht auszumalen.
Gott behütet dich; er ist dein Schatten
über deiner rechten Hand.
Einmal war ich im August in Israel. Tag für Tag
die stechende Sonne. Trotz Hut auf dem Kopfe suchte ich den Schutz
des kühlenden Schattens, wo immer er sich mir bot.
Schatten - das ist ein starkes Bild für den Schutz
Gottes.
In anderen Psalmen wird vom Schatten seiner Flügel gesungen,
dem Schutz, den seine Fittiche dem bedrängten Menschen bieten.
Die gewaltigen Flügel der Cherubim im salomonischen Tempel
versinnbildlichten diesen besonderen Beistand Gottes für Menschen.
Mit Gottes Hilfe zur Rechten und in seinem Schatten ist Leben wirklich
behütet.
Tagsüber und auch nachts darauf vertrauen, daß
es diese Oase der Erholung, des Aufatmens, der Ermutigung in seinem
Schatten gibt, das ist sein besonderes Angebot.
Wenn du kannst, tritt heute mal für einen Augenblick
in eine Kirche und laß deine Seele die angenehme Kühle
des Schattens atmen. Und wenn du gebunden bist in deine Räume,
geschlagen von zu viel Arbeit, dem Lauf der Dinge wehrlos ausgeliefert
- dann nimm dieses Bild mit dir und laß deine Seele immer
mal wieder kurz darauf blicken:
Gott ist dein Schatten über
deiner rechten Hand, daß dich des Tages die Sonne nicht steche
noch der Mond des Nachts.
Drei Segenswünsche beschließen den 121.
Psalm.
Der erste lautet:
Gott behüte dich vor allem Übel.
Am frühen Morgen gleich die Begegnung mit dem
Übel dieser Welt.
Zwischen der auf den Tag einstimmenden Musik dringen halbstündig
die Nachrichten aus dem Radio in unser Bewußtsein. In komprimierter
Form das Übel dieser Welt.
Das Übel ist mehr als das Böse. Es ist das
Unheil im umfassenden Sinne. Vor allem alles, was das Leben zerstört,
die Seele verführt und das Miteinander zersetzt.
Mit der Sintflut sollte es ersäuft werden. Doch
Gott stellt danach fest, daß das Übel sich nicht aus
der Welt schaffen läßt, daß das Dichten und Trachten
des menschlichen Herzens böse ist - von Jugend auf.
Wenn es schon keine heile Welt gibt, so bleibt die
Chance, sich gegen das Übel zu wehren. Die größten
Chancen bestehen da, wo die Verbote Gottes als praktische Lebenshilfe
respektiert werden:
- Du sollst deinen Mitmenschen nicht niedermachen;
- du sollst ihn nicht sexistisch ausbeuten;
- du sollst dich nicht auf seine Kosten bereichern;
- du sollst ihn nicht mit übler Nachrede entwürdigen;
- du sollst nicht neidisch, mißgünstig
und habgierig sein.
Das sind die Haupteinfallstore des Übels in unser
tägliches Leben - im Kleinen wie im Großen.
Gott behüte dich vor allem Übel.
Es tut gut zu hören, daß das Übel
nicht einfach nur da ist, sich nicht beseitigen läßt,
und Unheil und Schlechtigkeit nicht ungehindert Leib und Seele,
Gut und Ehre zersetzen können.
Gott möge dich davor bewahren!
Ich wünsche dir neben anderen Menschen vor allem einen Verbündeten
gegen das Übel: Gott.
Mit ihm bist du gut beraten. Denn seine Idee ist es, das Übel
mit Gutem zu überwinden. Phantasievoll, liebevoll und unermüdlich
hat er sich durch Jesus gegen das Übel in und unter Menschen
gestellt.
Gott behüte dich vor allem Übel.
Er bleibe dir nah - neben dir, hinter, unter
und über dir - ,
daß der böse Feind keine Macht an dir finde und das Übel
von keiner Seite in dein Leben dringt..
Der zweite Segenswunsch lautet:
Gott behüte deine Seele.
Seele und Leben sind unzertrennbar.
Leben ohne Seele - das ist ein seelenloses Dasein.
So gibt es in der hebräischen Sprache des Psalms nur ein
Wort für Seele und Leben.
Die Weite und die Tiefe und auch die Dauer von schönen
Lebenserfahrungen haben unmittelbar etwas damit zu tun, ob wir mit
Leib und Seele dabei sind.
Lachen und sich freuen, spielen und vertrauen, lieben
und mutig sein - das sind Lebensäußerungen unserer Seele.
Und auch: weinen und verzweifelt sein, zanken und zürnen, erschrecken
und verzagen.
Aus der Vielfalt seelischen Erlebens erwächst
das lebendige Leben. Deshalb erscheinen uns seelenlose Menschen
wie kalte Roboter.
Gott behüte deine Seele.
Ich sage jetzt:
- Gott behüte dir dein Seelenleben. Oder:
- Gott behüte dir eine lebendige Seele.
Dieser Segenswunsch tut gut.
Denn zerbrechlich sind nicht nur die zarten Seelen kleiner Kinder.
Wie angenehm ist es mir zu spüren, daß und wenn ein erwachsener
Mensch seelisch zart besaitet ist.
Ein gesundes Seelenleben ist die Basis eines intakten
menschlichen Miteinanders.
Die Umkehrung dieser Aussage macht es deutlich:
Ist das Seelenleben in einer Beziehung gestört oder zerstört,
entartet der Umgang in Streit und Rechthaberei.
Gott behüte dir dein Seelenleben.
Gott ist der Fachmann für lebendiges Leben.
Mit seinem Odem hat er den Pulsschlag des Lebens in Gang gesetzt
und die Seele das Atmen gelehrt.
Gott weiß, daß die Seele ihren Raum braucht im Leben.
Und er bietet deiner Seele diesen Raum an. Denn der Mensch lebt
nicht vom Brot allein. Seine Seele braucht den Kontakt mit dem Ursprung
des Lebens.
Der 121. Psalm endet mit dem Segenswunsch:
Gott behüte deinen Ausgang und Eingang
von nun an bis in Ewigkeit.
Ausgang und Eingang sind siamesische Zwillinge.
Der Ausgang ist zugleich immer auch Eingang.
Lasse ich den einen Raum hinter mir, trete ich sogleich in einen
anderen.
Mit dem Ausgang einer Lebenszeit beginnt sogleich eine neue.
Der Ausgang aus dem Mutterleib bescherte mir den Eingang
ins Leben.
Wer sich aus seiner vertrauten Welt herauswagt, setzt seinen Fuß
ins Fremde.
Trete ich aus dem Haus, bedeutet das zugleich, daß ich hineingehe
in den Raum der Straße.
Das Durchschreiten von Pforten und Überschreiten
von Schwellen ist im Lebensprozeß mit schmerzvollen Veränderungen
und angstbesetzten Wandlungen verbunden.
Abschied und Neubeginn - das ist schnell gesagt, braucht aber Mut,
Kraft und Zeit.
Gott behüte deinen Ausgang und Eingang.
Dieser Segenswunsch spricht dir Gottes Gegenwart zu.
Die Gegenwart eines Menschen kann eine Menge bewirken.
Beim Sportunterricht z.B. ermutigte mich die Gegenwart des Lehrers,
mir bei der neuen Turnübung Hilfestellung zu gewähren,
zur Tat.
Mehr als einmal habe ich mir dabei als schlechter Turner gewünscht,
der Lehrer möge eingreifen und mir so blaue Flecken ersparen.
In kritischen Übergangssituationen des Lebens
wird - sicherlich nicht nur von mir - das hilfreiche Eingreifen
Gottes ebenso gewünscht und auch ernstlich erbeten.
Ob Gott zur Tat schreitet, steht dahin. Sein Dabei-sein steht jedoch
außer Zweifel.
Und das bedeutet mir sehr viel.
Denn es gibt mir die Ruhe, daß ich mir nicht das Genick breche.
So kann die Gewißheit der Gegenwart Gottes in
dir eine Menge bewirken:
Du behältst das Vertrauen, daß dein Leben gehalten wird
- wie immer dir Ausgang und Eingang gelingen.
Gott behüte deinen Ausgang und Eingang von
nun an bis in Ewigkeit.
Alle Übergänge deines Lebens sind
stets bezogen auf die Gegenwart Gottes.
Darin ruht die Kraft dieses Segenswunsches:
Deine Gegenwart und die Gegenwart Gottes sind stets deckungsgleich.
Und wenn Gott gegenwärtig ist, ist Leben behütet - heute,
morgen und bis in die Zeit des Ewigen. |