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Rezension

Olaf Droste, Bremen


"Weihnachtliche Freuden" von Timm H. Lohse und Bengt Beutler

Noch ein Weihnachtsbuch - muss das sein? So mag man laut rufen oder im Stillen denken. Gibt's denn nicht schon genug davon? Wer kann zu dem Thema noch etwas Neues sagen?

Nun, Bengt Beutler und Timm Lohse können. Oder - sie glauben das. Und da sie mich gebeten haben, etwas zu diesem Versuch zu sagen, müssen die beiden sich das nun auch anhören. Und Sie alle hier im Saal auch. Selbst schuld!

Ich nähere mich dem Buch - mit Ihnen zusammen - so behutsam wie ich kann. Bei unbekannten Objekten muss man ja Vorsicht walten lassen. Vielleicht explodieren sie, oder sie beißen. Darum umkreisen wir das Buch ein paar Mal, und ziehen dabei die Kreise immer enger.

Als erstes sehen wir das Buch also von ferne. Leicht, schmal und in luftiger Gestaltung kommt es daher, mit viel freiem Raum um Bild und Text auf allen Seiten. Kein Buch, das es mit Tolstois Krieg und Frieden aufnehmen will, oder mit dem Telefonbuch von New York. Ein Fest für Lesefaule; die Zeilen stehen nicht in dicht gedrängten Blöcken, sondern eher so gedruckt wie bei Gedichten. Und sie scheinen ähnliche Worte zu enthalten, auch wenn es sich nicht reimt; jedenfalls nicht immer. Was jedoch den Sinn angeht - nun ja, das Telefonbuch von New York mag schwerer sein, aber es ist leichter zu verstehen.

Die Texte stehen immer links auf den Seiten. Rechts hingegen, hm, wie sollen wir es nennen - auf den ersten Blick etwas schwer zu übersehende Zeichnungen, die Linien mitunter flüchtig und zappelig, auch die Farbtupfer scheinen nicht immer passend angebracht. Keine Bilder für Ordnungsfanatiker. Vielleicht das Werk einer temperamentvollen Kindergruppe, die sich in der Adventszeit, befeuert von Bratapfel und Kakao, mit Stiften und Farben ausgetobt hat?

Nach dieser - zugegeben - groben ersten Stippvisite pirschen wir uns nun näher an das Objekt heran. Und entdecken etwas. Nämlich Gegensätze. Links steht der Text, rechts steht das Bild; das hatten wir schon. Links schwarz-weiß, rechts rot (oder auch mal gelb und blau). Links das Schwere, rechts das Leichte. Links der Ernst, rechts das Heitere. Links der Himmel mit seinen Geheimnissen, rechts das Irdische in all seiner Weltlichkeit. Links Vater Gott und Bruder Jesus, rechts Kumpel Santa Claus und Bruder Leichtfuß. Links Advent und Krippe und Nacht und Träume und Engel, rechts Ami-Schlitten und Champagner und Feiern und Tanzen und Beschwipstsein und, ja, auch hier: Engel.

Das gibt uns doch zu denken, grübeln wir still vor uns hin. Was mag das alles zu bedeuten haben? Vielleicht:

  • links der Tiefsinn, rechts die Oberfläche;
  • links das Komplexe, rechts das Einfache;
  • links die christliche Wahrheit, rechts die kommerzielle Häresie?
Aber wie fast immer im Leben könnte alles auch ganz anders sein, grübeln wir weiter vor uns hin, nämlich so:
  • links menschelt und göttelt es wabernd und tiefschürfend, rechts pulsiert frisch und frech und unverstellt das Leben;
  • links die Neurose, rechts die Therapie;
  • links der gordische Knoten, rechts das Schwert.

Wie wir es auch drehen und wenden: Es bleibt eine Spannung, die ihr Geheimnis so schnell nicht preisgibt. Darum wagen wir in einer dritten Umkreisung nun einen genauen Blick. Da wir inzwischen wissen, dass das Buch nicht beißt, begeben wir uns in Einzelheiten. Schauen genauer hin. Und sind entzückt, ja - bezaubert.

Da ist die Rede von freundlichen Engeln. Vom Glanz göttlicher Nähe. Von der Mitte der Zeit, in der Stille und Frieden herrscht. Vom Menschen, der Sehnsucht hat - und von Gott, der Mensch wird, um diese Sehnsucht zu erfüllen. Das Schöne dabei ist, dies alles kommt nicht lastend daher, in betonschwerer Bedeutung von sich selbst ergriffen, nicht predigend und moralisierend und ermahnend, sondern ganz leicht. Ganz spielerisch. In Fragmenten. Anakoluthisch. Als Angebot: Du, Leser, wenn Du magst, denk mich zu Ende. Und es kommt mit Witz daher. Es spart das Dunkle nicht aus, aber es führt immer ins Helle.

Und rechts, so wird uns allmählich klar, ist es ja eigentlich ganz ähnlich. Das scheinbar immer Leichte verbirgt durchaus kleine dunkle Geheimnisse. Da ist nicht nur der rote dicke Mann mit seinem dröhnenden Ho-ho-ho. Da ist mehr zu sehen, wenn man genau hinschaut: die Erschlaffung des Workaholics, der Übermut des Selbstsicheren, die Anmaßung des Mächtigen, der Kater des Zechers. Außerdem wird uns langsam klar, dass hinter den krakeligen Linien Methode steckt. Denn die Zeichnungen entziehen sich einer vorschnellen Erschließung und einer simplen Zuschreibung. Auch sie zeichnen sich erst im Kopf zu Ende.

So stehen die linke und die rechte Seite des Buches einander doch näher, als wir anfangs von ferne zu erkennen glaubten, und wir denken bei uns selber glücklich: So etwas nennt man wohl Dialektik.

Ja wirklich. Timm Lohses Texte ebenso wie Bengt Beutlers Zeichnungen ähneln einander darin, dass sie sich einer allzu schnellen Festlegung entziehen:

  • Sie sind heiter, aber nicht nur.
  • Sie sind ernst, aber nicht nur.
  • Sie wollen unterhalten, aber nicht nur.
  • Sie machen Spaß, aber - nein, kein aber. Sie machen Spaß, dabei bleibt es.
Das Buch ist hintergründig, wie der Untertitel es ja bereits nahe legt, und es macht Spaß. Eben weil es hintergründig ist, macht es Spaß. Weil man dann und wann auch etwas zu kauen hat. Weil man bei jedem Blättern Neues entdeckt. Und weil es doch im Ganzen nicht sooo schrecklich ernst gemeint ist und nicht mit dem moralischen Zeigefinger nach einem piekst

Also, schließen wir unsere kreisende Untersuchung ab: Das Buch macht Spaß. Kein aber mehr. E basta.

 
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